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#92 Hilfe, bin ich im Burnout? (Teil 1)
Neues Podcastoutfit!!!
Ab jetzt machen wir den Podcast zu zweit: Susanne und Henner, beides Ärzte, Stress- und Führungskräftecoaches.
Und wir legen los mit dem Thema BURNOUT.
Das Thema wirkt abgedroschen, jeder redet davon oder kennt jemanden, der jemanden kennt, ist selbst betroffen oder hat Angst davor.
Aber was ist eigentlich ein Burnout? Eine Modeerscheinung? Ein Merkmal unserer Zeit? Bisher ist es keine Diagnose, das wird sich in der Medizin mit der Verwendung des ICD 11 (International Classification of Diseases 11th Revision) aber ändern.
Wie kann es dich – auch als Ärztin, Arzt oder Führungskraft – direkt und indirekt treffen oder vielmehr, was kannst du dagegen tun?
Und wer ist eigentlich schuld?
Mit diesen ganzen Fragen werden wir uns in den kommenden 3 Folgen beschäftigen.
Und natürlich bekommst du wie bisher handfeste Tipps.
Hab ganz viel Spass beim Zuhören!
Glaubst du, du bist betroffen? Hast du noch Fragen dazu oder suchst Unterstützung? Dann schreib uns gerne eine Email!
Transkription
Herzlich willkommen bei EinzigARZTig, dem Podcast nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, die selbstbewusst klar und unbeschwert Beruf, Familie und Freizeit genießen und sich selbst und andere souverän führen möchten.
Wir sind Dr. Susanne Löffner und Dr. Henner Sturzenhecker, zwei erfahrene Ärzte und Coaches und wir unterstützen dich auf deinem ganz persönlichen Berufs- und Lebensweg.
Worum geht es bei EinzigARZTig?
Es geht um Medizin, MedizinerInnen und Menschen.
Burnout
Susanne: Heute sitze ich hier mit dem Henner – mal wieder. Und das wird in Zukunft auch häufiger so sein, denn vielleicht hast du es an der Einleitung schon bemerkt, wir werden zukünftig EinzigARZTig noch mehr zusammen machen.
Und nun aber zum heutigen Thema.
Und das ist:
“Hilfe bin ich im Burnout?”.
Ja, das Thema Burnout, das ist vielleicht so ein bisschen ausgelatscht. Aber es ist genauso extrem wichtig. Denn die psychischen Erkrankungen, die Erschöpfungszustände und alle ihre Folgen werden immer mehr.
Und da ist doch die Frage, was können wir tun? Oder vielleicht vorher, was ist überhaupt Burnout und wie kommt es dazu? Und genau damit werden wir uns nicht nur heute, sondern auch in den kommenden beiden Folgen befassen.
Viel Spaß dabei!
Hallo und herzlich willkommen bei EinzigARZTig.
Henner: Ungewohnt, dass ich den Beginn mache. Wir sitzen heute hier zusammen und wollen mit dir über das Thema Burnout sprechen.
“Hilfe, bin ich im Burnout?”
Wie stellt man das eigentlich fest?
Was ist überhaupt ein Burnout?
Wenn ihr Google befragt, dann bekommt ihr kilometerlange Ergebnisse. Weil das Thema Burnout ist in aller Munde. Es wird viel drüber geschrieben. Und wir wollen mal so ein bisschen Substanz dahinter bringen. Keine Sorge, es wird ein bisschen unterstützt mit Zahlen, Daten und Fakten. Aber nicht zu viel davon.
Ja, wir haben uns auch überlegt, dass wir drei Folgen dazu machen. Warum, das erkläre ich euch gleich.
Und zwar: die, die jetzt ärztlich tätig sind, wissen wahrscheinlich, dass Burnout bisher keine Diagnose ist. Also in unserem Verschlüsselungskatalog, dem ICD, also dem aktuellen, dem ICD-10, kommt Burnout noch gar nicht vor.
Das ändert sich allerdings mit der nächsten Variante, dem ICD-11. Dort wird Burnout zum ersten Mal auch als Diagnose beschrieben. Und zwar als
“Syndrom mit spezifischem Bezug zum Arbeitskontext, das neben somatischen Erkrankungen die Wahrscheinlichkeit für Folgeerkrankungen wie Depression, Angststörungen und Medikamentenabhängigkeit erhöht.”
Und in dieser Erklärung oder Beschreibung von Burnout steckt schon ganz, ganz viel drin. Nämlich einmal dem Arbeitskontext, aber auch der Beschreibung, was es eigentlich beinhaltet, nämlich dass es die Wahrscheinlichkeit für Folgeerkrankungen erhöht. Also was dich dann als Betroffener selbst gefährdet in der Folge. Und was da noch drin steckt, ist erstmal die somatische Erkrankung.
Das heißt, was lernen wir daraus schon?
Ein Burnout geht mit körperlichen Symptomen einher. Körperliche Symptome, die wir sonst gerne als Stressfolgeerkrankungen beschreiben. Da gehören chronische Schmerzen mit rein, da gehören Kreislauferkrankungen mit rein. Da gehören aber auch ganz, ganz viele andere Erkrankungen. Von Haut bis Verdauung bis Blase bis alles Mögliche mit rein.
Susanne: Und jetzt ist natürlich die Frage, also da steht ja Bezug zum Arbeitskontext.
Da bin ich so ein bisschen kritisch, weil ich durchaus Patienten oder auch Coachees kenne, die in meinen Augen eine sehr offensichtliche Burnout-Symptomatik haben, die aber mit ihrem Job an sich ganz zufrieden sind.
Da sind zum Beispiel Studenten oder Menschen, die gerade beruflich anfangen, denen es eigentlich da gut gefällt, aber die trotzdem wahnsinnig erschöpft sind. Oder aber auch so Menschen, die vielleicht mehrere kleine Kinder haben, Menschen, die vielleicht Beziehungsprobleme haben, die Angehörige pflegen müssen, wo eigentlich die Thematik nicht unbedingt jobbezogen ist.
Aber warum steht denn dann Arbeitskontext da überhaupt drin? Was denkst du Henner?
Henner: Weil die Arbeit natürlich ein wesentlicher Faktor ist. Wir verbringen pro Tag relativ viel Zeit bei der Arbeit. Und das ist in einem Burnout genauso ein Faktor wie unser soziales Umfeld, wie unser System. Die Arbeit gehört ja auch in unser System mit rein.
Und ich verstehe deine Einwände, die sind vollkommen richtig. Trotzdem bin ich der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ganz dankbar, dass sie diesen Bezug zum Arbeitskontext mit in die Definition mit reingenommen hat. Weil sich daraus ja Möglichkeiten ergeben.
Das heißt, wenn man sich überlegt, was kann man entweder zur Prophylaxe eines Burnout tun oder was kann man tun, um einen Burnout zu behandeln, dann ist das eben nicht nur diejenige, die die Symptome verspürt, sondern auch der Arbeitgeber kann etwas tun.
Und ein weiterer Faktor ist, dass das natürlich eine wirtschaftlich sehr wirksame Erkrankung ist.
Das heißt, da steckt unglaublich viel Geld dahinter. Wenn wir mal drauf gucken: viele Krankenkassen veröffentlichen ja regelmäßig Daten über die Zusammenhänge von Krankheitstagen und Diagnosen.
Die Kaufmännische Krankenkasse hat erst neulich veröffentlicht, dass es im ersten Halbjahr 2023 die längsten Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen gab.
Das liegt natürlich einerseits in der Natur einer psychischen Erkrankung. Die Behandlung einer Depression dauert nun mal länger als die Behandlung einer Bronchitis. Das heißt, das ist einfach erkrankungsbedingt, dass da mehr Fehltage, mehr Arbeitsunfähigkeitstage auftreten.
Das andere ist aber, dass 41% aller Arbeitsunfähigkeiten aufgrund entweder von akuten Belastungsreaktionen oder von Anpassungsstörungen ausgestellt wurden.
Die akute Belastungsreaktion bzw. die Anpassungsstörung sind ja so die in Anführungszeichen “kleinsten, ungefährlichsten” Diagnosen aus dem psychischen Umfeld, unter denen ganz vieles zusammengefasst wird. Insbesondere jetzt die Hausärztin, der Hausarzt wird eher eine Anpassungsstörung als eine rezidivierende Depression kodieren. Deswegen sind die Zahlen vielleicht nicht so 100% scharf getrennt, aber trotzdem darf man daraus herauslesen, dass die psychischen Störungen einen deutlich ansteigenden Anteil an den Arbeitsunfähigkeitstagen haben.
Und deswegen haben natürlich auch die Arbeitgeber ein großes Interesse daran, die Burnout-Rate zu reduzieren.
Susanne: Also sie sollten zumindest ein großes Interesse daran haben. Ob sie das immer haben und umsetzen, das ist ja noch die andere Frage.
Ja, das mit den 41 Prozent durch akute Belastungsreaktionen, das stimmt auch deshalb nicht so ganz, weil -das weiß ich jetzt aus meiner eigenen Tätigkeit als Hausärztin- die Patienten kommen nicht unbedingt gleich mit “Ich bin psychisch belastet.”, sondern meistens kommen sie mit irgendwelchen anderen Themen. Ich finde das immer sehr spannend, wenn über Schlaflosigkeit geredet wird oder vermehrt Kopfschmerzen oder Nacken-, Rücken-Schmerzen und Sonstiges.
Ich frage dann immer, wie sieht es denn mit ihrem Stress aus?Und dann kommt ganz häufig, Nö, also Stress habe ich jetzt gerade eigentlich nicht. Und wenn ich dann aber nachfrage, ja und wie sieht es so mit mentalem Stress aus, mit Sorgen, mit Ängsten, dann muss ich sagen, fließen relativ häufig die Tränen.
Und das ist etwas, womit der Patient nicht direkt rausrückt, sondern wirklich der gezielten Nachfrage bedarf.
Ja, warum?
Weil wir sind ja alle so geprägt, wir müssen ja stark sein, wir sollen für andere da sein, wir sollen was leisten, wir sind nur richtig gut, wenn wir immer alles managen können.
Da steckt ganz viel Scham dahinter. Und deswegen glaube ich, dass tatsächlich die Dunkelziffer noch extrem hoch ist, wo die Belastung schon wirklich außerordentlich hoch ist und trotzdem der Mensch es noch nicht nennt. Und auch da haben wir Zahlen, ich habe irgendwo gelesen, ich kann es leider nicht mehr genau sagen, wann und wo es war.
Ich meine, es wäre das Ärzteblatt gewesen, dass gerade bei Ärzten es bis zu sieben Jahre dauert, bis sie bei einer Burnout-Symptomatik sich wirklich professionelle Hilfe suchen. Und das ist ein Wort.
Henner: Ja, das ist sehr, sehr, sehr lange und eigentlich viel zu lange.
Und da kommt natürlich dieser wunderbare alte Spruch, den Susanne und ich regelmäßig verwenden zum Tragen: Die Geschichte: Sagt die Seele zum Körper: sag du’s ihr oder ihm, auf mich hört er/sie nicht.
Und wir brauchen ja immer erstmal ein körperliches Symptom, um vielleicht irgendwo anders hin zu gucken. Und diese körperlichen Symptome, die bei überfordernden Stressbelastungen regelmäßig auftreten, das sind natürlich die Symptome, die ganz viele Menschen dann erstmal zum Arzt führen. Und erst über diesen Weg, sozusagen über diesen Umweg, kommt man dann auf das eigentlich zugrundeliegende Problem. Und das erklärt, warum die zeitliche Latenz bis zur Diagnosestellung und vor allem dann auch zum Beginn der Behandlung zu groß ist.
Susanne: Und insbesondere im medizinischen Bereich, bei uns Ärztinnen und Ärzten, gilt das ja noch viel mehr. Wir beißen eher die Zähne aufeinander, als irgendwie zuzugeben, dass wir nicht mehr können.
Und spannenderweise sind im Gesundheitswesen die allermeisten Fehltage tatsächlich durch psychische Erkrankungen verursacht. Und das, wo wir doch immer so den Eindruck haben, wir müssten es doch eigentlich wissen. Wir wissen doch, was Gesundheit ist und was Krankheit ist und wie wir Krankheiten vermeiden. Und dann sind ausgerechnet wir die, die die meisten Fehltage dadurch haben und die, die am längsten brauchen, bis sie sich professionelle Hilfe suchen.
Henner: Und gerade im Gesundheitssystem muss man ja einfach auch sagen, ein Burnout steigert das Risiko von Behandlungsfehlern und ist im Endeffekt gefährdend für die Patientensicherheit. Deswegen macht es umso mehr Sinn, da einfach auch ein wachsames Auge darauf zu haben.
Susanne: Ja, und da können wir dann aber nochmal kurz zurückgehen zur Definition von Burnout. Wir hatten ja schon den Bezug zum Arbeitskontext erwähnt. Und wie du dir vielleicht denken kannst, ist das aber noch nicht alles.
Also wir sind ja so immer die großen Fans von Schuldzuweisungen. Und sehr gern sagen wir, ja, das System ist kaputt und krank und es ist zu hohe Arbeitsverdichtung und Personalmangel und ich weiß nicht was noch alles.
Und das ist richtig. Genau deshalb Bezug zum Arbeitskontext.
Was wir aber häufig vergessen, ist unsere eigene Verantwortung.
Und hier spreche ich ganz explizit von Verantwortung und nicht von Schuld. Weil Schuld ist immer so ein dunkler Fleck, den wir irgendjemandem zuweisen, uns selbst oder anderen, aber der uns irgendwie auch so verhaltensunfähig macht. So ich bin schuld und ich kann ja nichts ändern dran.
Nee, wir tragen die Verantwortung einerseits als Betroffene, dass wir wirklich auch mal auf uns gucken, was haben wir dazu beigetragen, dass wir jetzt in dieser Krise stecken. Oder nicht nur, was haben wir dazu beigetragen, sondern vor allem was können wir verändern, damit es uns wieder besser geht.
Und andererseits gibt es eben auch die Verantwortung des Arbeitgebers. Und damit sprechen wir jetzt die Führungskräfte an, die Chefs oder aber auch die Kollegen, die auch ihren Teil dazu beitragen, ob es jemandem gut oder schlecht geht.
Henner: Und ihr findet im Internet ja ganz häufig in verschiedensten Formen die sogenannte Burnout-Spirale. Und es ist spannend, immer mal so eine kleine Standortbestimmung zu machen, wo man sich denn selber auf dieser Burnout-Spirale einordnen würde. Oder einfach mal zu gucken, hey, was kommt mir denn da bekannt vor? Und wir werden immer wieder auf diese Burnout-Spirale zu sprechen kommen.
Weil was natürlich auch leider Gottes richtig ist, in unserem Gesundheitssystem ist der Bereich Prävention nicht so richtig gut ausgebaut. Und wir werden ausführlich darüber sprechen, was man selber tun kann, um aus einem Burnout wieder rauszukommen. Aber wenn ich schon mitten in einem Burnout drin bin und dann plötzlich anfange zum ersten Mal in meinem Leben Entspannungstechniken zu lernen, dann tue ich mich schwer damit.
Und deswegen ist dieser präventive Ansatz extrem wichtig, um einfach schon Routine, Erfahrung mit den Dingen zu haben, die dann hilfreich sind und nicht erst akut dann zum Feuerlöschen damit anzufangen.
Ich habe vor längerer Zeit mit einem ganz erfahrenen Psychiater und Psychosomatiker über dieses Thema gesprochen. Ein Chefarzt im Ruhestand und wir kamen auf jemanden, der jetzt mitten im Burnout ist und dieser Chefarzt im Ruhestand meinte, ja, das wird jetzt ein Jahr dauern. Und ich habe noch gedacht, wow, ein Jahr, das ist aber jetzt ein bisschen hochgegriffen.
Im Nachhinein muss ich sagen, jo, er hatte Recht. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis sich diese Symptomatik dann wieder richtig stabilisiert hatte.
Susanne: Und deswegen ist das einfach ein sehr, sehr wichtiges Thema. Und wir werden jetzt eben in den nächsten beiden Podcast-Folgen darauf eingehen.
Einerseits, was kann ich als Führungskraft für meine Mitarbeitenden tun?
Und andererseits aber auch, was kann ich selber tun, um vielleicht aus einem beginnenden Burnout wieder rauszukommen?
Oder was kann ich einfach auch präventiv tun?
Wie kann ich frühe Symptome erkennen?
Und was kann ich tun, um da rauszukommen?
Und vielleicht so als kleines Schmankerl für die Führungskräfte, die jetzt denken, ja Gott, um was soll ich mich denn jetzt sonst noch kümmern?Jetzt soll ich auch noch den Burnout meiner Mitarbeiter verhindern. Ich kann dir jetzt schon sagen, es ist eine Win-Win-Situation. Denn du hilfst nicht nur dir selbst damit, dadurch, dass du nicht so viele neue Mitarbeiter suchen musst, dass du deinen Personalmangel nicht noch schlimmer machst.
Du hast einfach auch ein gesünderes Arbeiten für dich selbst. Denn es ist ja völlig klar, hast du motivierte, gesunde Mitarbeiter, wirst du dir als Führungskraft leichter tun, wie wenn du die ganze Zeit nur Feuer löschen musst. Also es wird sich auf jeden Fall lohnen, weiter dran zu bleiben, weiter zuzuhören.
Und in zwei Wochen werden wir als erstes über das Thema Was kann der Arbeitgeber tun? sprechen. Und da gibt es einige Punkte, die es zu berücksichtigen gilt.
Und in vier Wochen wird es dann darum gehen, was kannst du als Betroffene tun?
Henner: Und damit verabschieden wir uns heute auch schon. Danke, dass du zugehört hast und bis in 14 Tagen. Eine gute Zeit, ciao!
Wir freuen uns, dass du in dieser Folge unser Gast warst und hoffen, dass du etwas Neues gelernt oder über dich erfahren hast.
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