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#77 Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt.
“Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren.
Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt.”
Dies ist ein wunderschönes Zitat von Virginia Satir. Sie war eine US-amerikanische Psychotherapeutin sowie eine der bedeutendsten Familientherapeutinnen.
Ganz egal, ob es um dich, deinen Partner, deine Kinder, deine Freunde oder auch deine MitarbeiterInnen und Patienten geht. Kontakt ist unglaublich wichtig und heilsam. Wir alle wollen gesehen, gehört, verstanden und berührt werden. Und zeitgleich ist es das, was sich andere von uns wünschen.
In der heutigen Podcastfolge erzähle ich dir dazu drei Geschichten, die mich berührt haben, und die zeigen sollen, wie wichtig es ist, in Kontakt zu gehen.
Transkription
Herzlich willkommen bei EinzigARZTig, dem Podcast nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, die selbstbewusst klar und unbeschwert Beruf, Familie und Freizeit genießen und sich selbst und andere souverän führen möchten.
Heute geht es um den Kontakt, den Kontakt zu Menschen, zu deinen Freunden, deinen Partnern, deinen Kindern, aber auch zu deinen Patienten.
Dazu erzähle ich dir von drei sehr berührenden Erlebnissen, die ich hatte und warum sie mich berührt haben.
Und ich bin sicher, du hattest auch solche Erlebnisse und vielleicht können wir diese Erfahrungen viel öfters noch in unserem Alltag umsetzen.
Ganz viel Spaß dabei.
Vor kurzem wurde ich wieder erinnert an ein Zitat von Virginia Satir.
„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren.
Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt.“
Ich weiß nicht, wie du privat dazu fühlst, aber ist es nicht so, dass es genau das umfasst, was wir uns von unseren Partnern, von unseren Kindern, von unseren Eltern, von unseren Freunden wünschen?
Gesehen gehört, verstanden und berührt zu werden?
Für mich ist ein Abend mit Freunden dann ein wunderschöner Abend, wenn ich entweder das Gefühl habe, ich wurde gesehen und verstanden, oder aber ich habe jemanden gesehen und verstanden. Und wenn dann noch dieses tiefe Gefühl der Berührung hinzukommt, dann ist es etwas Wunderbares.
Und ich glaube, dass es das auch ist, was uns als Ärzte ausmacht und was uns als Ärzte auch glücklich macht.
Wenn wir einen Patienten sehen, hören und verstehen und berühren können, dann haben wir alles richtig gemacht.
Dann ist der Kontakt da, dann ist die Verbindung da, dann ist das Vertrauen da.
Und wie oft geht das in unserem Alltagschaos unter?
Wie oft haben wir einfach gar keine Zeit, wirklich zu sehen und zu hören?
Wie oft stehen wir zwischen Tür und Angel, wenn wir ein Gespräch führen?
Wie oft sind wir selber vielleicht so emotionsgeladen oder so gestresst, dass wir gar nicht die Kapazitäten haben, zu sehen und zu hören?
Dabei ist das etwas Wunderbares.
Ich habe dazu ein paar Erfahrungen gemacht, die ich gern mit dir teilen möchte.
Als ich in der Chirurgie vor vielen Jahren gearbeitet habe, ich war da noch recht neu, ich hatte davor Anästhesie und Innere gemacht und nun war ich also in der Ambulanz und es kam ein Mann, der nach einem Verkehrsunfall eine skalpierende Verletzung hatte. Also er hatte wirklich eine riesige Schnittwunde im Gesicht. Und die sollte ich jetzt nähen. Ich hatte damals noch nicht allzu viel Erfahrung im Nähen, aber ich habe mich sehr bemüht. Es hat lange gedauert, aber ich habe mich da– nein, nicht Schnitt für Schnitt, sondern Stich für Stich– entlanggehangelt. Ein Pfleger stand neben mir und hat mir immer gezeigt, wo ich am besten den nächsten Stich mache. Der Patient hat wahrscheinlich gemerkt, dass es einfach relativ lang dauert und er hat mich dann irgendwann gefragt, ob ich dann überhaupt nähen könnte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade in meiner Freizeit einen Nähkurs, also Verkleidung, einen Nähkurs an der Volkshochschule gemacht. Und mir ist in dem Moment einfach so rausgeplatzt: „Ja klar, ich mache gerade einen Kurs an der Volkshochschule.“
Kaum hatte ich es ausgesprochen, hätte ich es am liebsten wieder reingesaugt. Das war mir furchtbar unangenehm. Aber der Pfleger neben mir hat gelacht, der Patient hat gelacht. Ich habe dann auch gelacht. Und es hat die Stimmung im Raum komplett gedreht. Plötzlich war da eine Leichtigkeit, die vorher nicht da war. Der Patient hatte vorher Angst und die war weg. Ich hatte ihn tatsächlich, ohne das wirklich in dem Moment absichtlich zu tun, ich hatte ihn berührt.
Sechs Wochen später habe ich ein Päckchen in die Klinik bekommen, ein Geschenk von ihm. Darin hat er mir so ein ganz uraltes Nähset, eine handgeklopfte Nadel und ein, na ja, wie so ein Stopfei, aber in so einer bestimmten Form, hat er mir zukommen lassen. Damit ich auch weiterhin gut nähen könnte. Er war zufrieden mit dem Ergebnis und das wiederum hat mich berührt. Damals wusste ich noch gar nicht so viel von Emotionen und was die alles in uns machen, aber ich glaube, ich habe ihn ganz unbewusst verstanden und das Richtige getan in dem Moment.
Vor ein paar Jahren auf der Intensivstation habe ich eine Frau begleitet, die sehr, sehr lange bei uns lag. Sie ist letztendlich auch gestorben. Ich habe sehr viel mit ihr geredet, ich habe sehr, sehr viel mit den Angehörigen geredet. Wir haben gute Gespräche geführt. Nachdem die Patientin verstorben ist, kam die Tochter zu mir und meinte, sie hätte ein Geschenk für mich. Sie wolle sich bedanken für die Zeit, die ich ihnen gewidmet habe. Und sie hat mir so ein kleines Fotobüchlein geschenkt.
Sie sagte, das haben wir gemacht zum 70. meiner Mutter. Ein Fotoalbum mit lauter Bildern von meiner Mutter, wo sie glücklich ist. Und ich möchte, dass sie genau das jetzt sehen, wie meine Mutter war als Mensch und glücklich. Ich möchte nicht, dass sie sie in Erinnerung behalten, wie sie jetzt hier krank und sterbend war.
Und auch hier war ich sehr berührt. Und ich wusste, dass das ein Dankeschön dafür ist, dass ich gesehen, gehört, verstanden und berührt hatte. Und ich habe diese Berührung zurückbekommen. Und das ist ein unglaublich schönes Gefühl.
Ja, das bekommt man nicht bei jedem Patienten. Aber ja, wir berühren auch nicht jeden. Und wir sehen nicht jeden. Wir hören nicht jeden.
Und genauso hatte ich ein anderes Erlebnis mit einem Patienten, der nach einer plötzlichen Hirnblutung sehr, sehr, sehr lange bei uns auf Station lag. Und es war eine schwere Geschichte. Die Ehefrau war ständig bei ihm. Sie hat unglaublich viel Zeit und Kraft investiert, um immer da zu sein, hat ihre Bedürfnisse sehr zurückgesteckt. Ich habe viel mit ihr geredet. Ich habe versucht, sie immer wieder auch zu entlasten, quasi ihr die Erlaubnis zu geben, auch mal für sich zu gucken, was sie aber ganz schwer nur konnte.
Der Patient war, wie gesagt, sehr, sehr lange da und wurde dann in eine Pflegeeinrichtung entlassen. Ein paar Wochen später rief mich die Tochter an. Und ich sagte: Oh, das ist ja schön von Ihnen zu hören. Wie geht es Ihrem Vater?“ Und sie sagt: „Frau Löffner, ich rufe Sie an. Ich möchte Ihnen sagen, dass er es nicht geschafft hat.“ Und dann hat sie mir erzählt, wie es in diesem Pflegeheim zu einem Notfall kam und er leider zu dem Zeitpunkt zu spät oder vielleicht auch nicht erfolgsversprechend behandelt wurde.
Und auch hier war ich wieder berührt.
Nicht nur, weil der Patient gestorben war, was mir unglaublich leid tat, vor allem nach der langen aufopfernden Pflege der Familie und diesen ganzen Hoffnungen, diesen Schmerzen, die sie alle zusammen erlebt hatten. Ich war auch berührt, dass die Tochter extra angerufen hat, um mir das mitzuteilen. Um mir zu sagen, dass sie zwar sehr dankbar sind für alles, was wir für ihn getan haben, aber dass sie glaubt, dass wir auch wissen sollten, wie es ausgegangen ist. Und ich glaube, sie hat auch mich gesehen, gehört und verstanden und wusste, dass mir Patienten auch am Herzen liegen. Und dass nicht in dem Moment, wo ein Patient geht oder entlassen wird, alles vergessen ist, sondern dass sie irgendwie auch immer in meinem Herzen bleiben.
Und so wurde ich schon wirklich häufig berührt von Patienten, von Geschichten.
Und ich hoffe immer wieder, dass es auch ich schaffe, sie zu berühren.
Egal, ob es in einem kurzen Kontakt oder in einem langen Kontakt ist. Egal, ob es ein kurzes Gespräch oder ein langes ist.
Ich wünsche mir das auch für meine Familie.
Ich wünsche mir das für meine Partnerschaft.
Ich wünsche mir das für meine Freundschaften, dass ich sie sehe, höre, verstehe und berühre.
Wir freuen uns, dass du in dieser Folge unser Gast warst und hoffen, dass du etwas Neues gelernt oder über dich erfahren hast.
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